Ich bin Clara, 19 Jahre alt und mache zurzeit ein Weltfreiwilligenjahr in der Kleinstadt Óbidos im Amazonasgebiet von Brasilien. Mittlerweile habe ich einige Feiertage hier verbracht und habe viele neue Bräuche kennenlernen dürfen. Dadurch, dass Brasilien ein sehr christlich geprägtes Land ist, wird auch hier Weihnachten gefeiert. Während uns in Deutschland aber das Christkind besuchen kommt, bekommen brasilianische Kinder ihre Geschenke vom Weihnachtsmann.
Das Schuljahr geht hier von Februar bis Dezember, weshalb Abschlussfeiern oft mit einer Weihnachtsfeier verbunden werden. So auch in der „Creche Emaús“, dem Kindergarten, in dem ich seit September mitarbeiten darf. Für die Feier wurde ein Ort mit Pool gemietet, wo die Schüler mit ihren Eltern spielen, schwimmen und essen durften. Der Weihnachtsmann ist auch dorthin gekommen und hat den Kindern Puppen, Plastikautos und Süßigkeiten geschenkt und sich - wie man es aus amerikanischen Weihnachtsfilmen kennt - ihre Wünsche angehört. Bei knapp 35° Celsius war das Kostüm meines Kollegen nach den zwei Stunden durchgeschwitzt, aber für die strahlenden Gesichter der drei bis sechsjährigen war es das auf jeden Fall wert.
An Heiligabend gehen die meisten Menschen in Óbidos in die Kirche, essen mit der Familie zu Abend und während die ersten Familienmitglieder danach schon ins Bett gehen, treibt es die anderen noch zu einer der zahlreichen Partys, die überall in der Stadt stattfinden.
Ich war nach der Christmette bei einer Arbeitskollegin eingeladen und durfte mit ihrer Großfamilie den Abend verbringen. Es gibt hier kein traditionelles Weihnachtsessen, aber um die Geburt Jesu zu feiern, werden Gerichte gekocht, die etwas aufwändiger zu machen sind. So habe ich auch das erste Mal in meinem Leben „Maniҫoba“ gegessen, was aus Maniokblättern gemacht wird, die über Tage köcheln. Danach wurde noch gewichtelt und, wie bei vielen brasilianischen Feiern, Karaoke gesungen.
Es war zwar sehr schön, aber da es so warm war und ich weit von meiner Familie weg war, hat es sich für mich nicht sehr weihnachtlich angefühlt.
Weihnachten war noch relativ ähnlich zu dem Weihnachtsfest wie ich es aus Deutschland kenne, Neujahr hingegen war eine ganz neue Erfahrung. Ich war bei den Schwestern der Ordensgemeinschaft „Sementes do Verbo“ eingeladen.
Die vier in blau gekleideten Nonnen leben mit ca. 15 jungen Frauen, die in den Orden eintreten möchten, zusammen in einem Haus in Óbidos und gehen dort ihrem Glauben nach.
Silvester wurde in der Kirche neben dem Haus verbracht. Hier wurde getanzt, gesungen, gebetet und Gott für das vergangene und das beginnende Jahr gedankt. Einige der Anwesenden haben ein bisschen über ihre Erlebnisse erzählt und um Mitternacht wurde sich zur eucharistischen Anbetung um den Altar herum gekniet, während man von draußen die Feuerwerke hören konnte. Danach wurde das Buffet eröffnet, wieder getanzt, ein kleines Theaterstück vorgeführt und viel gelacht.
Wir hatten in der Neujahrsnacht sehr viel Zeit um 2023 Revue passieren zu lassen, was ich sehr schön fand, weil mir nochmal bewusst geworden ist wie viel ich letztes Jahr, vor allem durch mein Abitur und dem Weltfreiwilligenjahr, erleben durfte.
Ich bin mir sicher, dass 2024 für mich mindestens genauso ereignisreich sein wird und freue mich schon auf die bevorstehenden Feste wie Karneval und das „Sant’Ana“-Fest.