Evangelium
In jener Zeit sprach Jesus: Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, weil du das vor den Weisen und Klugen verborgen und es den Unmündigen offenbart hast. Ja, Vater, so hat es dir gefallen. Alles ist mir von meinem Vater übergeben worden; niemand kennt den Sohn, nur der Vater, und niemand kennt den Vater, nur der Sohn und der, dem es der Sohn offenbaren will. Kommt alle zu mir, die ihr mühselig und beladen seid! Ich will euch erquicken. Nehmt mein Joch auf euch und lernt von mir; denn ich bin gütig und von Herzen demütig; und ihr werdet Ruhe finden für eure Seele. Denn mein Joch ist sanft und meine Last ist leicht.
Matthäus 11,25–30
Da bin ich dann mal raus. – Jesus sprach: „Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, weil du das vor den Weisen und Klugen verborgen und es den Unmündigen offenbart hast.“ Da bin ich dann mal raus. Unmündig bin ich schließlich nicht. Trotzdem möchte ich gerne wissen, was der Vater im Himmel den Unmündigen offenbart hat.
Meint Jesus mit Klugen und Weisen nur die Besserwisser oder die Schriftgelehrten, die sich mit der Religion genau auskennen? Aber auch da bin ich wieder auf der falschen Seite. Schließlich habe ich Religionspädagogik studiert. Da haben Sie, liebe Leserin, lieber Leser, es vielleicht besser. Doch zu den Unmündigen gehören Sie vermutlich auch nicht.
Aber was will Jesus uns dann mit diesem Satz sagen? Ich habe eine ganze Weile gebraucht, um eine Lösung für mich zu finden. Vielleicht kann die Lösung auch für Sie stimmig sein.
Wenn es um Glauben, Vertrauen und Liebe geht, hilft Wissen alleine nichts. Wir können noch so viele theologische Abhandlungen gelesen haben, Gott zu vertrauen ist etwas Anderes.
Auch aus dem Alltag gibt es genügend Beispiele. Wir können viele Anleitungen über das Schwimmen gelesen haben, aber solange wir nicht ins Wasser gesprungen sind, nützen diese nichts.
Ähnlich ist es beim Meditieren. Bücher über das Meditieren mögen interessant sein und sie können uns auch motivieren. Aber was Meditation ist, erfahren wir dabei nicht.
Vor allem in Beziehungen erlebe ich, dass hier nur wenig mit dem Verstand erklärt werden kann. Als mich vor einer Weile mein Enkel fragte: „Oma, warum hast du mich eigentlich so lieb?“, hatte ich keine logische Antwort parat. Ich habe meine Enkelkinder einfach lieb. Dafür gibt es keine klugen Erklärungen.
Vermutlich ist es mit der Beziehung zu Gott ähnlich. Gott kann nicht gedacht, erklärt oder gemacht werden. Er kann nur erfahren werden.
Darauf verweist mich auch der Satz im Evangelium: „Alles ist mir von meinem Vater übergeben worden; niemand kennt den Sohn, nur der Vater, und niemand kennt den Vater, nur der Sohn und der, dem es der Sohn offenbaren will.“
„Dem es der Sohn offenbaren will“, sagt mir, Glaube ist ein Geschenk. Ich kann ihn nicht machen. Ich brauche ihn mir nicht zu verdienen. Er ist gratis.
Und im dritten Teil des Evangeliums lädt Jesus uns ein. Er sagt: „Kommt alle zu mir, die ihr mühselig und beladen seid! Ich will euch erquicken.“
Jesus verspricht uns zwar kein Leben ohne Sorgen, Krankheit, Einsamkeit und so weiter, aber wir dürfen zu ihm kommen. Wir dürfen bei ihm sein, mit allem, was uns belastet. Wir können einfach da sein, so wie wir sind. Es wird kein Wissen und keine Leistung abgefragt. Ich wünsche Ihnen, dass Sie immer wieder Momente finden, in denen Sie sich bei Jesus ausruhen können. Dafür gibt es vielfältige Möglichkeiten. Einen Spaziergang in der Natur, einen Gottesdienst besuchen, Meditieren, sich in eine stille Kirche setzen, einfach einmal dasitzen und den Moment wahrnehmen ...
Das alles ist sehr einfach, aber aus meiner Erfahrung heraus nicht immer leicht. Denn unser Alltag ist oft anders. Dort sind Wissen und Leistung gefragt. Wir fühlen uns sicher, wenn wir selbst alles in der Hand haben.
Doch wenn wir uns nach der Ruhe für unsere Seele sehnen, die Jesus verspricht, ist es sicher gut, immer wieder einmal aus den Mustern des Alltags auszubrechen.
Roswitha Spenkuch (roswitha.spenkuch@blindeninstitut.de) ist Gemeindereferentin
und Seelsorgerin im Blindeninstitut Würzburg.