Liebe Weihekandidaten,
Sie haben sich als Wahlspruch aus dem Buch Deuteronomium den Vers gewählt: „Das Wort ist ganz nah bei dir, es ist in deinem Mund und in deinem Herzen.“
Eben hörten wir den dazugehörigen Abschnitt in der Lesung. Moses hatte das ganze Volk Israel, das er im Auftrag Gottes aus Ägypten herausgeführt hatte, zusammengerufen, auf den Bundesschluss mit Gott verwiesen und das Volk auf die Gebote Gottes verpflichtet. Zum Schluss macht er dem Volk, das die wunderbare Hilfe Gottes auf so eindringliche Weise erfahren hatte, klar, dass letztlich Gott ihnen ganz nahe ist. Sie müssen nicht in den Himmel hinauf steigen oder über die weiten Meere fahren, um Gott zu finden. Sein Wort, das Moses getreu verkündet, ist im Herzen erfassbar und mit dem Mund verkündbar.
So hatte schon früher Moses eindringlich verkündet: „Höre, Israel! Jahwe, unser Gott, Jahwe ist einzig. Darum sollst du den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit ganzer Kraft. Diese Worte, auf die ich euch heute verpflichte, sollen auf deinem Herzen geschrieben stehen.“ (Deut 6,4-6) Diese Sätze sind zu einem der Lieblingsgebete des Judentums geworden, das orthodoxe Juden in einem kleinen Kästchen auf der Stirn oder am Handgelenk tragen oder auch in ihren Hauseingängen anbringen.
Gott offenbart sich uns als der Liebende in seinem Wort. Zuletzt sogar dadurch, dass das Wort Fleisch geworden ist und unter uns gewohnt hat. Gott zu lieben bleibt nicht dem Wohlwollen einzelner anheim gestellt, sondern ist eine Verpflichtung. Wenn Gott uns liebt, können wir konsequenterweise ihn nur wieder lieben. Es gilt dabei nicht die Ausrede: Gott ist mir fern. Ich kann doch nicht in den Himmel hinaufsteigen oder die abenteuerliche Reise über ein weites Lebensmeer machen, um ihn zu finden. Nein, so sagt Moses: „Das Wort ist ganz nah bei dir, es ist in deinem Mund und in deinem Herzen, du kannst es halten.“
Liebe Schwestern und Brüder,
unsere Diakonanden haben diesen Ausspruch mit dem Bild unseres Frankenmissionars Diakon Totnan verbunden. Seine Statue steht hier in der Apsis des Domes unter der Darstellung des wiederkehrenden Christus am Ende der Zeiten. Kilian, der Bischof, Kolonat der Priester, und Totnan, der Diakon, bilden zusammen eine Dreiheit des kirchlichen Weiheamtes, das mit ihren Insignien gekennzeichnet wird: Der Bischof trägt Mitra und Stab zum Zeichen seiner Hirtensorge, der Priester den Kelch im Verweis auf die heilige Eucharistie und der Diakon das Buch der Heiligen Schrift.
Dem Diakon ist in besonderer Weise das Wort Gottes anvertraut. Wenn nach der eigentlichen Weihe und dem Anlegen von Stola und Dalmatik dem Diakon das Evangeliar überreicht wird, spricht der Bischof:
„Empfange das Evangelium Christi:
Zu seiner Verkündigung bist du bestellt.
Was du liest, ergreife im Glauben;
Was du glaubst, das verkünde,
und was du verkündest, erfülle im Leben.“
Zunächst müssen also die Verkündiger des Wortes Gottes selbst das Evangelium empfangen. Dazu gehört das Studium der Heiligen Schrift, das betrachtende Schriftgebet und das verinnerlichte Wort Gottes. Wer Gottes Wort verkündigen will, muss es selber kennen lernen, im Glauben ergreifen und im Leben erfüllen. Dieser Dreischritt ist eine unabdingbare Voraussetzung auch für diese Diakonenweihe.
Im nächsten Monat wird in Rom eine Bischofssynode stattfinden, die Papst Benedikt XVI. einberufen hat. Bischöfe und Fachleute aus aller Welt werden sich mit dem Thema „Das Wort Gottes im Leben und in der Sendung der Kirche“ befassen. In Hervorhebung der Bedeutung des Wortes Gottes gerade für unsere Zeit rückt der Papst die Frage nach Stellenwert und Auslegung der Heiligen Schrift als entscheidende Thematik in den Blick. Drei Wochen lang werden die eingeladenen Bischöfe und Experten darum ringen, noch besser herauszufinden, „was der Geist Gottes von der Kirche verlangt, damit sie im authentischen Geist des Gottesdienstes, des Gebets und des Dienstes ihr Leben gestaltet.“ (Kardinal Carlo Maria Martini SJ: Die Bischofssynode über das Wort Gottes. In: Stimmen der Zeit, 5, 2008)
Sie, liebe Diakonanden, kann ich ebenso nur ermutigen, sich ganz und gar dem Wort Gottes zu öffnen. „Die Schrift nicht kennen, heißt Christus nicht kennen.“ (DV 25). An diese letzten Worte des Heiligen Hieronymus erinnert unser Heiliger Vater in seinen verschiedenen Aufforderungen, die Heilige Schrift zu lesen und zu meditieren, gern.
Ich darf hier aber auch an die Konstitution des Zweiten Vatikanischen Konzils über die göttliche Offenbarung „Dei verbum“ erinnern: „Die Kirche hat die Heiligen Schriften immer verehrt wie den Herrenleib selbst, weil sie, vor allem in der heiligen Liturgie, vom Tisch des Wortes Gottes wie des Leibes Christi ohne Unterlass das Brot des Lebens nimmt und den Gläubigen reicht“(DV 21).
Gerade weil Gott uns liebt und uns nahe ist, dürfen Sie, liebe Weihekandidaten, diese Diakonenweihe mit ganzer Freude annehmen. Gerade weil Gott uns durch sein Wort eine verlässliche Wegweisung schenkt, dürfen wir getrost in die Zukunft schauen. Die vielen Mitfeiernden im Dom mögen Ihnen eine starke Stütze sein, die heute hier gegebenen Versprechen auch einzulösen. Möge der heutige Festtag sich ebenso tief in Ihre Herzen einschreiben und in Zeiten der Anfechtung, der Verwirrung und vielleicht sogar der Mutlosigkeit den Blick für Gottes Nähe in seinem Wort offen zu halten. Gott ist getreu. Er hält sich an sein Wort.
Amen.