Seine Erfindung erschütterte die alte Welt. Sie veränderte die Art, wie Menschen denken, reden, fühlen oder handeln. Sie holte das Menschheitswissen aus dem Elfenbeinturm von Gelehrten und brachte es in jedes Haus. Die Rede ist von Johannes Gutenberg und seiner Erfindung, dem Buchdruck.
Ein Massenmedium für alle
Ein halbes Jahrtausend später. Eine andere Erfindung revolutioniert die Art, wie Menschen miteinander umgehen, wie sie sich informieren, wie sie denken, arbeiten und ihren Alltag meistern. Diesmal ist die Rede vom World Wide Web. Vor fünfzehn Jahren, am 30. April 1993, wurde es zur allgemeinen Nutzung freigegeben. Sein Erfinder heißt Tim Berners-Lee.
Die Parallelen liegen auf der Hand. Mit der Erfindung des Buchdrucks wurde das in handgeschriebenen Büchern angesammelte Wissen nach und nach allen Menschen zugänglich. Aus einem teuren Medium für Wenige wurde ein
erschwingliches Massenmedium für alle. Eine ähnlich revolutionäre Wirkung besitzt das World Wide Web.
Bis Anfang der 1990er Jahre war das Internet ein Kommunikationssystem für eine kleine Schar von Eingeweihten: meist Wissenschaftler oder Militärs. Die Bedienung war kompliziert. Spezialkenntnisse waren nötig, um Nachrichten zu verschicken und auf fremde Rechner zuzugreifen. Erst Berners-Lees Erfindung, das World Wide Web, machte das Internet zu einem Massenmedium, das heutzutage jeder nutzen kann.
Das WWW ist fertig
Der "Trick": Das World Wide Web vereinfacht die Benutzung des komplizierten Internets. Ein Mausklick reicht, und schon verbindet sich der Nutzer mit einem Rechner in den USA. Ein weiterer Klick auf einen Link führt ihn auf einen anderen Rechner etwa in Europa. Die Technik läuft im Hintergrund. Der Nutzer merkt davon beim Surfen nichts.
Damit das auf jedem Rechner funktioniert, sind einheitliche Standards nötig. Tim Berners-Lee hat sie entwickelt - am europäischen Kernforschungszentrum CERN in Genf. Im Oktober 1990 begann der Brite mit seinem "World Wide Web" - Projekt. Erste Ergebnisse lagen im November vor.
Ein Browser und ein Webserver waren fertig programmiert. Der Server stellte die Daten übers Internet bereit, der Browser rief sie ab und machte sie auf dem Monitor des Nutzers sichtbar.
Heiligabend 1990: Tim Berners-Lee hat es geschafft. Abends um halb elf geht der erste Webserver online. Über das Rechnernetz des CERN hat der Wissenschaftler Zugriff auf die anderen Rechner in seinem Institut.
Alle Erfindungen zum Nulltarif
Vom ersten "Prototyp" bis zur weltweiten Umsetzung des WWW dauerte es noch knapp drei Jahre. 1991 veröffentlichte Berners-Lee seine Software kostenlos im Internet. Sie verbreitete sich schnell. Bei den damaligen Entscheidungsträgern der Internet Engineering Task Force (IETF) stieß Berners-Lee mit seinem World Wide Web jedoch zunächst auf Widerstand.
Berners-Lee setzte sich durch. Am 30. April 1993 gab er sein World Wide Web zur allgemeinen Nutzung frei. Jeder dürfe seine Ideen und Erfindungen in Zukunft lizenzfrei verwenden, gab er öffentlich zu Protokoll. Patente existierten nicht. Die Erfindungen des Informatikers waren kostenfrei zu nutzen.
Nur fünfzehn Jahre später hat sich das World Wide Web zu einem Medium entwickelt, das aus dem Alltag vieler Menschen nicht mehr wegzudenken ist. Allein in Deutschland surfen mittlerweile 52 Millionen Menschen durchs Netz. Sie informieren sich, kaufen ein, schauen Videos, erledigen ihre Bankgeschäfte, spielen online oder tauschen sich in Weblogs und Foren mit anderen Nutzern aus.
"Niemand weiß, was Web 2.0 bedeutet"
Tim Berners-Lee, der Gutenberg des Cyberspace, lebt heute in den USA. Er hat eine Professur am renommierten Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Boston. Seit 1994 ist Berners-Lee Direktor des World Wide Web Consortiums (W3C). Das W3C entwickelt neue Standards und Richtlinien fürs Web. Es sorgt dafür, dass alle eingesetzten Technologien untereinander kompatibel sind.
Das Web der Zukunft ist semantisch, hofft Berners-Lee. Computer sollen in der Lage sein, die Inhalte von Dokumenten zu verstehen und sinnvolle Querbezüge zwischen ihnen herzustellen. Vom sogenannten Web 2.0 hält Berners-Lee dagegen überhaupt nichts.
"Niemand weiß genau, was der Begriff bedeutet", meint Berners-Lee. Und wenn man immer sage, das Web 2.0 verbinde Menschen, das Web 1.0 dagegen nur Computer, dann sei das völlig falsch. Sein Ziel sei stets gewesen, Menschen, nicht Computer miteinander zu verbinden. "Das ist die Idee, die hinter allem steckt."
Info / Hintergrund:
Wie das WWW funktioniert
Das World Wide Web ist ein über das Internet abrufbarer weltweiter Informationsverbund. Es basiert auf drei Hauptstandards, die Tim Berners-Lee entwickelt hat: auf der Seitenbeschreibungssprache Hypertext Markup Language (HTML), auf dem Übertragungsprotokoll http und auf dem Uniform Resource Locator (URL), einer eindeutigen Internetadresse, die in (Hyper-)Links verwendet wird.
Links gelten als das "Salz" des WWW. Erst durch sie wird Surfen möglich. Sie erlauben es, gezielt zwischen verlinkten Dokumenten hin und her zu springen, egal auf welchem Server sie gespeichert sind.
Voraussetzung ist, dass diese Dokumente eine eindeutige Internetadresse haben und übertragen werden können. Für die Adresse sorgt der Uniform Resource Locator (URL). Die Übermittlung wird durch das Übertragungsprotokoll "http" geregelt.
Quelle: ZDFheute.de ( www.heute.de/ZDFheute/inhalt/14/0,3672,7229550,00.html )