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„Dass Weihnachten erträglich ist“

Drei Würzburger arbeiten an Heiligabend ehrenamtlich in sozialen Einrichtungen – Was sie antreibt und wie sie Weihnachten feiern

Würzburg (POW) Wenn Rosemarie Heimberger (71), Roswitha Kühnlein (69) und David Josefs (31) über Weihnachten sprechen, reden sie nicht vom traditionellen Fest mit der Familie unter dem Christbaum – zumindest nicht ausschließlich. Den 24. Dezember haben sie in den vergangenen Jahren in der Arbeit verbracht: Anrufe entgegengenommen, Kakao ausgeschenkt, anderen eine schöne Zeit bereitet. Heimberger, Kühnlein und Josefs arbeiten in Würzburg als Ehrenamtliche in der Telefonseelsorge, der Bahnhofsmission und in der Anlaufstelle Underground für junge Menschen in schwierigen Lebenssituationen. Was treibt sie an, auch am Heiligabend vor Ort zu sein? Und wie sieht ihr privates Weihnachtsfest aus? POW hat sich mit ihnen unterhalten.

Heiligabend in der Telefonseelsorge: „Oh du Fröhliche“ am Telefon

In der Dienststelle der Telefonseelsorge Würzburg klingelt das Telefon beinahe durchgehend. An einem Tag rufen so viele Menschen an, dass nur ein Drittel der Bedürftigen überhaupt durchkommt – auch an Heiligabend, auch an den Weihnachtsfeiertagen. Rosemarie Heimberger hebt ab, hört den Erzählungen von Eheproblemen, Verlusten und Einsamkeit zu und gibt Tipps, wenn sie gewünscht sind. Wie viele Weihnachtsdienste die 71-Jährige in den vergangenen acht Jahren bei der Telefonseelsorge bereits übernommen hat, hat sie nicht gezählt. „Ich mache jede Woche Dienst. Irgendwann fällt halt auch Weihnachten in die Woche“, sagt sie. Heimberger ist Rentnerin. Sie feiert Weihnachten an einem der Feiertage mit ihren fünf Kindern, genießt sonst die Zeit alleine. Einsam fühle sie sich an den Feiertagen eigentlich nicht. Denn Alleinsein sei nicht gleich einsam sein. Sie mache ihr eigenes Weihnachtsprogramm. An den beiden Feiertagen, an denen ihre Kinder nicht zu Besuch kommen, übernimmt Heimberger somit gerne den Telefondienst. Das sei einfach eine gute Möglichkeit, Kolleginnen und Kollegen zu entlasten, die familiär mehr eingebunden sind, und einsame Menschen zu unterstützen. Gerade an Weihnachten käme das Thema noch häufiger zur Sprache als unter dem Jahr. „Manche sagen: Oh, ausgerechnet jetzt bin ich wieder alleine“, erzählt die 71-Jährige. Dann überlegt Heimberger mit den Anruferinnen und Anrufern, wie sie den Abend feierlich gestalten können. Kein Christbaumschmuck? Kein Gebäck? „Aber Sie könnten sich doch einen Tee machen und eine Kerze anzünden“, schlägt Heimberger beispielsweise vor. Sie sagt: „Wir wollen, dass der Tag erträglich ist und die Weihnachtszeit aushaltbar.“ Und manchmal blitzt auch bei der Telefonseelsorge die Weihnachtsfreude auf. Einmal habe sie am Telefon mit einer Frau „Oh du Fröhliche“ gesungen, erzählt Heimberger. „Alleine singen ist ja blöd“, sagte die Anruferin. Ein anderes Mal habe sie die Weihnachtsgeschichte vorgelesen. Die Anruferin wollte sich wieder an die Krippenspiele aus der Kindheit erinnern. Heimberger sagt: „Diese Weihnachtsstimmung von damals hat sie dann wieder eingefangen.“

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Weihnachten in der Bahnhofsmission: Plätzchen, Kakao und liebe Worte

Wenn an Weihnachten eine Besucherin oder ein Besucher die Bahnhofsmission betritt, wird sie oder er von Roswitha Kühnlein erst einmal mit lieben Worten begrüßt. Sie bietet Plätzchen und Kakao an und ein warmes Essen. Im Raum hinter der Küchenzeile steht ein Christbaum. Bis auf die Weihnachtsdekoration ist der Heiligabend in der Bahnhofsmission also wie jeder andere. Es gehe darum, 365 Tage im Jahr für die Bedürftigen da zu sein, nicht nur an Weihnachten, sagt Kühnlein. Aber auch die Bedürftigen bekommen die Weihnachtsstimmung in den Straßen mit. Daher versucht die Ehrenamtliche, den 24. Dezember trotzdem ein bisschen festlicher zu gestalten und sich, wenn es die Besucherzahlen zulassen, mehr Zeit für den Einzelnen zu nehmen. Bereits zum dritten Mal wird Kühnlein in diesem Jahr die Schicht an Heiligabend übernehmen. Sie habe ihr Leben lang ein schönes Fest in der Familie gefeiert, es wurde geschmückt und „alles schick gemacht“, erzählt sie. Nun will sie die feierliche Stimmung an andere Menschen weitergeben – an „Menschen, die einfach nirgendwo anders sein können, denn sonst wären sie ja nicht hier“. Weihnachten in der Bahnhofsmission: Das fühle sich ein bisschen wie zuhause an. Auch oder gerade vor allem, weil jeder Heiligabend unterschiedlich ist. Der Verlauf hängt von den Besucherinnen und Besuchern und ihren Stimmungen ab. Kühnlein erinnert sich an einen Heiligabend, an dem ein Besucher lachend in die Bahnhofsmission kam und zehn Minuten später weinend am Christbaum saß. „Diese Menschen haben alle eine Geschichte, wie wir auch“, sagt die Rentnerin. Nur deren „war vielleicht sehr schlimm“. Als Kühnlein ihr erstes Weihnachten in der Bahnhofsmission verbrachte, war ihre Familie erst einmal irritiert. Mittlerweile hat sie verstanden, dass die Mithilfe in der Einrichtung Kühnlein viel zurückgibt. Nach der Schicht am 24. Dezember geht es für die 69‑Jährige nach Hause, sie trinkt ein Glas Rotwein und lässt den Abend Revue passieren. Mit den Kindern und Enkelkindern wird an einem der Feiertage zusammengesessen. Kühnlein sagt: „Weihnachten ist ja nicht nur dieser Heiligabend.“ In diesem Jahr wird die Ehrenamtliche den Weihnachtsdienst unter anderem gemeinsam mit Michael Lindner-Jung, dem Leiter der Einrichtung, machen. Unter dem Jahr komme er kaum mehr dazu, Dienste zu übernehmen, doch die Weihnachtsschicht sei ein fest eingeplanter Termin. Er sei jedes Jahr neugierig, was ihn dort erwarte, sagt Lindner-Jung, der seinen ersten Weihnachtsdienst in der Bahnhofsmission bereits vor über 40 Jahren erlebte.

Weihnachtsnachmittag in der Anlaufstelle Underground: „Geborgenheit vermitteln“

Weihnachten in der Anlaufstelle Underground der Streetwork Würzburg: Das umfasst neben einem breiten Vorweihnachtsprogramm vor allem den Nachmittag des 24. Dezember. Zwischen 20 und 50 junge bedürftige Menschen – Obdachlose, Menschen aus Notunterkünften, junge Erwachsene mit eigenen Wohnungen, junge Mütter mit Kindern – kommen vorbei, essen und bekommen Geschenke. David Josefs steht an diesem Tag meist hinter der Küchenzeile im Gruppenraum und richtet das Weihnachtsmenü für die Besucherinnen und Besucher her. „Es ist der einzige Tag im Jahr, an dem ich die Leute bediene“, sagt er. Sonst liege der Fokus darauf, dass sich die jungen Menschen selbst ihr Essen zubereiten. Aber an diesem Tag „sollen sie einfach nur sein“. Seit acht Jahren arbeitet Josefs mittlerweile in der Anlaufstelle. Und ebenso lang ist der 31-Jährige beinahe jährlich an Weihnachten vor Ort. Er will den Besucherinnen und Besuchern an diesem überladenen Tag, einem Familienfest voller Erwartungen und Konsumzwang, „ein Gefühl von Geborgenheit vermitteln“. Viele von ihnen „hatten nie das, was wir Familie nennen, und werden es vielleicht auch nie haben“, betont Josefs. In der Anlaufstelle scheint die besinnliche Stimmung überzuspringen. „Es ist total süß zu sehen“, wie die Besucherinnen und Besucher mit „Grinsen im Gesicht“ beim Essen sitzen und sich unterhalten, sagt der Sozialarbeiter. Sonst alltägliche Konflikte untereinander würden nicht auftreten. Und so müsse der ein oder andere an diesem Tag nicht einsam sein. Im Anschluss an den Underground-Nachmittag feiert Josefs in der Familie weiter. Für sich, seine Frau und seinen Sohn wünscht er sich, dass Weihnachten tatsächlich zur Entschleunigung wird und auch sie als Familie dem Konsumzwang und den Erwartungen der Gesellschaft entfliehen können. Dieses Weihnachten wird auch Stefan Seehaber, der Leiter der Einrichtung, die Jugendlichen und jungen Erwachsenen im Underground bedienen, eine Weihnachtsgeschichte vorlesen und versuchen, sie einen Tag ihre Probleme vergessen zu lassen. Für ihn macht die Stimmung den Abend aus: „Wenn man beim Geschenkeauspacken das Leuchten in den Augen sieht.“

chd (POW)

(5123/1409; E-Mail voraus)

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