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Das Feuer Jesu brachte sie nach Argentinien

Vor 60 Jahren hat die Dominikanerin Schwester Irma Schneider die Ordensgelübde abgelegt. Nach so langer Zeit hat sie viel zu erzählen – von einem Papierzettel in ihrem Schwesterngewand und harten Erfahrungen im südamerikanischen Armenhospital

Als Novizin in den frühen 1960er Jahren hatte Schwester Irma Schneider einen kleinen Papierzettel im Gewand. Damals bereitete sie sich im Kloster der Dominikanerinnen in Neustadt am Main auf das Leben im Orden vor. Der Zettel war ein Vertrauter, der sie überall hin begleitete. Mit der Hand hatte sie darauf ein bekanntes Jesuswort geschrieben: „Ich bin gekommen, um Feuer auf die Erde zu werfen“ (Lukas 12,49). Woraus dieses Feuer besteht, wusste Schwester Irma zwar nicht. „Aber ich war angesprochen von der Person Jesu und wollte helfen, dass seine Idee lebendiger wird.“ Der Zettel landete zwar letztlich in der Wäsche, aber das Feuer Jesu ging dadurch nicht verloren. Schwester Irma legte bei der Professfeier die Gelübde als Ordensfrau ab – vor mittlerweile 60 Jahren. Mit 15 Mitschwestern bewohnt die Jubilarin einen
eigenen Bereich in der Seniorenresidenz Kist im Landkreis Würzburg. Wie im Kloster nehmen sie gemeinsam die Mahlzeiten ein und beten im Kapellenraum. In die Seniorenresidenz haben sie Erinnerungsstücke mitgebracht, etwa ein Klavier für den Gemeinschaftsraum. Und mitgebracht haben sie auch ihre Lebenswege.

Bei Schwester Irma begann dieser Weg 1937 in Schweinfurt. Aufgewachsen ist sie in Seubrigshausen bei Münnerstadt. Als Kriegskind erinnert sie sich an Luftangriffe alliierter Flieger und an den Abschied vom Vater, einem Zimmermann, der im letzten Kriegsjahr noch zum Militär einberufen wurde. Bei ihrer Erstkommunion am 8. April 1945 zogen die Amerikaner im Ort ein. Doch ihr Vater konnte nicht mitfeiern. Die Familie wusste nicht einmal, ob er noch lebte. Vor der Erstkommunion habe ihre Mutter zu ihr gesagt: „Worum du heute Jesus bittest, das wird er dir erfüllen.“ Ihre drei Wünsche weiß Schwester Irma noch immer: dass der Vater aus dem Krieg zurückkommt, die Mutter eine damals aktuelle Erkrankung überwindet und alle einmal im Himmel vereint sein werden. Zwei ihrer Wünsche hätten sich bereits erfüllt, sagt Schwester Irma hoffnungsfroh.

Die Idee, Ordensfrau zu werden, weckten nicht zuletzt die Missionshefte, die im elterlichen Haushalt herumlagen. Zudem erkannte Schwester Irma ihre Fähigkeit, für andere zu sorgen. Auch weil sie die Älteste von sieben Geschwistern war. Später, als Dominikanerin, besuchte sie auf eigenen Wunsch von 1969 bis 1972 in Würzburg die Krankenpflegeschule und arbeitete dann an verschiedenen Orten als Pflegekraft.
Beim Ordenseintritt 1961 hatte Schwester Irma von der Mission in Afrika geträumt. Doch erst in ihrem fünften Lebensjahrzehnt wurde sie von ihrer Gemeinschaft ins Ausland geschickt.

Nicht nach Afrika, aber nach Argentinien. Dort wollten die Dominikanerinnen wegen des Nachwuchses ihre Niederlassung vergrößern. Schwester Irma hatte Bedenken. Sie war nicht mehr jung und ohne Sprachkenntnisse. Aber auf gutes Zureden hin ging sie 1984 an einem Januartag in Hamburg an Bord eines Schiffes, das wenige Wochen später in Argentinien anlegte. Schwester Irma fand sich bald darauf in einem kommunalen Armenhospital in der Stadt Oberá wieder. Die Verhältnisse dort wirkten auf sie wie ein Schock. Sie traf auf unterernährte Kinder, Mütter mit Babys, die in „schrecklichen Lappen“ steckten, und ungepflegt wirkende Kranke, die hilflos in der Hitze herumsaßen. Trotz ihres Willens, die traurige Realität zu verändern, sah Schwester Irma letztlich ein: „Ich muss von ihnen lernen, wie man damit leben kann.“ Sie schaffte es, indem sie sich von deutschen Maßstäben verabschiedete. In Argentinien wurden abgetragene Kleider nicht weggeworfen. Aus ihnen ließen sich immer noch Kinderwindeln herstellen. Und die Schwester erfuhr, wie viel Freude sie Menschen geben konnte, wenn sie ihnen eine kleine Kanne Petroleum schenkte. Weil sie in ihren Häusern keinen Stromanschluss hatten, sondern Lampen.

Bis 2003 versorgte Schwester Irma Kranke in Argentinien. Dann kehrte sie zurück nach Deutschland, wo sie sich erst wieder an die Verhältnisse gewöhnen musste. Vor allem an den sorglosen Umgang mit Lebensmitteln und Waren, die an anderen Orten der Welt fehlen. In der Seniorenresidenz in Kist lässt sich die Ordensfrau noch immer von dem Jesuswort begleiten, das sie schon als Novizin beeindruckt hatte. Sie sagt: „Ich habe nie einen Flächenbrand zustande gebracht, aber viele kleine Lämpchen angezündet.“
 

Würzburger Katholisches Sonntagsblatt - Ulrich Bausewein