Würzburg (POW) Hell und in wesentlichen Punkten am barocken Zustand des 18. Jahrhunderts orientiert: So hat sich am Dienstag, 9. September, der Innenraum des Würzburger Neumünsters bei einer Presseführung mit Bischof Dr. Friedhelm Hofmann und Bau- und Kunstreferent Domkapitular Dr. Jürgen Lenssen präsentiert. „Viele Besucher werden nach Abschluss der Renovierungsarbeiten ein positives Aha-Erlebnis haben“, erklärte der Bischof. Etwa zwei Drittel der Arbeiten seien bislang geschafft, sagte Domkapitular Lenssen. Nach derzeitigem Stand der Dinge würden auch die Baukosten im Rahmen der veranschlagten drei Millionen Euro bleiben. Besonders umfangreich seien die Arbeiten zur Trockenlegung des zum Teil romanischen Mauerwerks gewesen. „Und auch bei den Elektroleitungen wurden alte Missstände beseitigt, so dass wir nicht mehr den Strom für einige Kühltruhen in der Nachbarschaft bezahlen“, erläuterte Lenssen schmunzelnd.
Zu den neuen Erkenntnissen, die sich bei der Renovierung ergaben, zählt, dass bis ins 18. Jahrhundert das Niveau des Fußbodens 1,20 Meter tiefer lag als heute. In einem Eck an der Treppe hinunter zur Anbetungskapelle werden nach der Wiedereröffnung Besucher bei Führungen einen Blick auf den historischen Boden und die bei der Barockisierung entfernten Halbsäulen werfen können. Der gesamte Fußboden der Grabeskirche der Frankenapostel Kilian, Kolonat und Totnan wurde anstelle des früheren Muschelkalks mit rotem Sandstein in barocker Legeart ausgekleidet. „Damit greifen wir die romanische Farbgebung der Kirche auf, bei der alle Säulen in roter Farbe gehalten waren.“ Die durchgehende weiße Fassung der Kirchenwände, inklusive des früher grün gefärbten Stuckvorhangs am Übergang zum Chorraum, orientiere sich an der vom Maler und Stukkateur Johann Baptist Zimmermann bei der Barockisierung vorgenommenen Farbgebung. „So wird die ganze Kirche in einzigartiger Weise auf die Apsis fokussiert“, betonte Lenssen.
Führte früher nur eine Treppe vom Zelebrationsaltar hinauf zum Hochaltar und dem Chorgestühl, so wurde diese auf der rechten Seite durch ein identisches Exemplar ergänzt. Der Hochaltar selbst erstrahlt durch die Wiederöffnung von zwei zugemauerten Ochsenaugen links und rechts und eines Fensters hinter dem Hochaltar jetzt in einem besonderen Licht. „Das Marienbild wird dank dahinter liegender, vergoldeter Metallplatten ohne künstliche Beleuchtung angestrahlt.“ Auch das sei keine Neukreation, sondern anhand historischer Befunde rekonstruiert. „Wir haben übrigens festgestellt, dass nicht nur das einzige originale Fresko Zimmermanns – eine Darstellung der Dreifaltigkeit, sondern auch seine Stuckarbeiten von besonderer Qualität sind. So sind zum Beispiel die Fruchtkombinationen der einzelnen Kapitelle jeweils individuell und freihändig gefertigt“, betonte Lenssen.
Die Anbetungskapelle unter dem Hochchor wird in Zukunft ohne Türen für Besucher zugängig sein, der eigentliche Kapellenraum jedoch mit Glas abgetrennt. „So können Touristen einen Blick hinein werfen, ohne dass die Gläubigen in ihrer Andacht gestört werden“, sagte Bischof Hofmann. Wenn alles nach Plan verläuft, sollen die Gerüste bis Anfang Oktober abgebaut werden. Derzeit werden im Bereich der Rotunde noch die letzten Arbeiten am 600 Quadratmeter großen Fresko erledigt, das Martin Amorbach nach 1945 neu malte – orientiert am Original von Zimmermann. „Zu besten Zeiten waren 15 Restaurateure gleichzeitig damit beschäftigt“, erzählte Klaus Zaschka vom Bischöflichen Bauamt, der die Arbeiten im Neumünster koordiniert. Unter anderem mussten weite Teile des Großgemäldes mit Putz hinterfüllt werden, um die Stabilität zu sichern.
Einige der Funde, die während der Renovierung gemacht wurden, wie zum Beispiel romanische Fresken seien gesichert und dokumentiert worden, aber inzwischen wieder hinter Putz und Farbe verschwunden. „Die Erfahrung hat gezeigt, dass sie nur so langfristig erhalten werden können“, sagte Domkapitular Lenssen. Eine umfangreiche Dokumentation werde nach Abschluss der Renovierung des Neumünsters alle Informationen erscheinen und alle Informationen gebündelt bieten. Unter anderem auch zu den romanischen Altarmensen des Hochaltars und des linken Seitenaltars. „Sie lassen sich dank ihrer einzigartigen Formsprache der gleichen Werkstatt zuordnen wie das Hochgrab des Bruno in der Krypta des Würzburger Doms“, sagte Lenssen. Als sichtbare Referenz an die Entstehungszeit des Bistums Würzburg und an die Bedeutung des Neumünsters als Herzstück der Diözese Würzburg sei außerdem geplant, dass in der Krypta des Neumünsters der historische Schrein der Frankenapostel aus der Zeit des heiligen Burkard einen neuen Platz bekommt. „Und auch die Büste des Märtyrers Georg Häfner wird in Zukunft leichter zu entdecken sein“, versprach der Bau- und Kunstreferent.
Die Neumünsterkirche gilt als Urstätte des Christentums in Franken. Sie wurde an jener Stelle errichtet, wo 689 die Frankenapostel Kilian, Kolonat und Totnan um ihres Glaubens willen getötet und ihre Gebeine zunächst heimlich verscharrt wurden. Bald darauf entstand dort die erste Würzburger Kathedrale, der Salvatordom. Nach dem Neubau des Kiliansdoms in unmittelbarer Nachbarschaft wurde unter Bischof Adalbero im 11. Jahrhundert das „neue Münster“ als romanische Pfeilerbasilika errichtet. Seit dem 18. Jahrhundert zeigt sich das Neumünster als monumentale, kuppelüberwölbte Barockkirche. Baumeister des Umbaus von 1711 bis 1721 war Josef Greißing. Die weitere Ausgestaltung des Innenraums dauerte bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts. 1803 wurde das Stift säkularisiert. Beim Bombenangriff auf Würzburg am 16. März 1945 verbrannte fast die gesamte Innenausstattung. Nach dem Wiederaufbau diente die Neumünsterkirche bis 1967 als Kathedrale der Diözese Würzburg. Seit April 2006 ist sie wegen der Innenrenovierung geschlossen. Bis Juni 2009 sollen die Arbeiten abgeschlossen sein.
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