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„Auch ihr seid für Gott wichtig“

Pfarrer Christian Müssig seit einem Jahr als Missionar in Bolivien tätig

Porongo/Würzburg/Miltenberg (POW) Seit Oktober 2007 ist der frühere Pfarrer von Würzburg-Heidingsfeld, Christian Müssig, als Missionar in Bolivien tätig. Nach rund einem Jahr in Südamerika war der 45-jährige Höchberger zu Besuch in der Heimat und berichtete von bolivianischer Baukunst, Fußmärschen zum nächsten Gottesdienst und zahnlosen Katechisten.

Wenn Pfarrer Müssig von Bolivien erzählt, dann spricht er nicht nur von einem anderen Land, es kommt einem vor, als spreche er von einer anderen Welt. Einer Welt, in der nichts selbstverständlich ist, in der selbst alltägliche Dinge nicht immer einfach und schon gar nicht auf dem direkten Weg zu meistern sind. „Ich finde mich dort in einer anderen Realität wieder“, sagt Müssig. Er selbst lebt in Porongo, einer rund 2000 Einwohner zählenden Stadt im bolivianischen Tiefland. Von dort aus betreut er insgesamt 14.000 Katholiken in den 46 umliegenden Ortschaften – auf einer Fläche von rund 900 Quadratkilometern. Das entspricht ungefähr der Größe von zwei Dekanaten im Bistum Würzburg.

„Die Menschen, die hier leben, sind vor allem damit beschäftigt, ihre Existenz zu sichern“, berichtet Müssig. Das Gros der Bevölkerung arbeitet als Bauern, baut Zitrusfrüchte, Reis und Mais an. Der Rest verdingt sich als Tagelöhner, arbeitet für Großbauern oder als Handwerker in der Stadt. Tagesverdienst: umgerechnet vier Euro. „Das reicht für zwei Kilo Hühnchenfleisch oder fünf Kilo Reis“, erklärt der Seelsorger. „Als ich hier ankam, bekamen die Menschen noch mehr für ihr Geld.“ Und genau in diesem Punkt liegt auch schon eines der Probleme der pastoralen Arbeit vor Ort: Wer kaum Schulbildung genossen hat und täglich von der Hand in den Mund leben muss, dem fällt es schwer, das Wort Gottes zu verstehen oder gar als ehrenamtlicher Helfer in der Gemeinde mitzuarbeiten.

So ist es eine der Hauptaufgaben Müssigs, Struktur in die Seelsorge vor Ort zu bringen und die Jugendarbeit zu organisieren. „In Deutschland gibt es Ehrenamtliche mit einer gewissen Grundkompetenz. Das ist wirklich eine volle Schatztruhe, aus der man schöpfen kann“, sagt Müssig, der viele Jahre das Jugendhaus Sankt Kilian in Miltenberg leitete. Diese Strukturen muss der Deutsche in Bolivien erst einmal im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten aufbauen, die Menschen in den Dörfern an die Regelmäßigkeit seiner Besuche gewöhnen. Schließlich kann es teilweise fast zwei Stunden dauern, bis der Pfarrer im kirchlichen Geländewagen in den entlegeneren Gemeinden ankommt. Umso ärgerlicher, wenn dann keine Gläubigen in der Kirche sind, weil sie die vorher angekündigten Gottesdienstzeiten vergessen haben. Oder weil sie nach bolivianischer Zeit rechnen: „Wenn die Kirche um sieben Uhr beginnen soll, dann kommt vielleicht um halb acht jemand. Bei den meisten wird es dann doch eher acht Uhr.“ Und auch das bolivianische Verständnis vom Zustand sakraler Bauten unterscheidet sich erheblich vom deutschen: eingestürzte Dächer oder Luftballons als Dekoration sind an der Tagesordnung.

Neben seinen eigenen Gottesdiensten versucht der fränkische Pfarrer auch Bezugspersonen in den einzelnen Gemeinden zu finden, die in seiner Abwesenheit regelmäßige Wort-Gottes-Feiern abhalten, gemeinsam mit den Gläubigen das Evangelium lesen, singen und beten. „Eine einzige zentrale Eucharistiefeier reicht einfach nicht aus. Die Menschen müssen zu Fuß, mit dem Ochsenkarren oder auf dem Pferd zum Gottesdienst kommen können.“ Wenn starke Regenfälle einsetzen, dann sind große Teile des Straßennetzes ohnehin unpassierbar. Und so greift Müssig dann auch schon notgedrungen auf Katechisten zurück, die zwar manchmal ohne Zähne, aber dafür „mit viel Hingabe“ den Menschen vor Ort aus dem Evangelium vorlesen. „Das Ziel ist es, kleine Basisgemeinden entstehen zu lassen. Das geht allerdings alles nur sehr langsam. Schrittfolge und Rhythmus bestimmen die Menschen vor Ort“, berichtet Müssig, der oftmals als Dirigent und Koordinator vor Ort auftreten muss.

Und dennoch: auch wenn Müssig in Bolivien, wie er sagt, „den Zusammenbruch der Institutionen“ miterlebt, weil das staatliche System nicht mehr funktioniert, die Inflation trabt, öffentliche Sicherheit nicht immer gewährleistet ist und zerrüttete Familien an der Tagesordnung sind, so denkt er dennoch nicht an eine vorzeitige Rückkehr nach Deutschland. Für fünf Jahre hat er sich zum Dienst in Bolivien verpflichtet, und „im Moment zieht mich nichts nach Deutschland zurück“. Im Gegenteil: Er möchte seinen Dienst an der Weltkirche erfüllen, ist dankbar, dass es mit seinem Aufenthalt in Südamerika geklappt hat: „Das ist gelebte Solidarität. Die Menschen dort werden in einer auf Effizienz ausgerichteten Welt leicht vergessen“, sagt Müssig nachdenklich. „Aber wir leisten es uns, diesen Menschen zu sagen: ‚Ihr seid da, und wir kümmern uns um euch. Auch ihr seid für Gott wichtig.‘“

(4008/1154; E-Mail voraus)

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