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Zur Verabschiedung von Dompfarrer Kurt Witzel

Predigt von Generalvikar Dr. Karl Hillenbrand am 28. September 2008 im Würzburger Kiliansdom

Von einem inzwischen verstorbenen Vorgänger in diesem Amt stammt der Satz: „In der Würzburger Dompfarrei macht man Erfahrungen, wie sie anderswo nicht vorkommen“ (Heinrich Schultes). Das lässt viele Deutungen offen und klingt interessant. Aber ich meine, dass es schon von den Voraussetzungen her stimmt: Keine andere Kirche in der Diözese ist zugleich Pfarrkirche, Stadtkirche und Bistumskirche. Diese dreifache Funkti­on prägt natürlich das Amt des jeweiligen Dompfarrers - interessant ist, wie er diese strukturelle Vorgabe zur persönlichen Aufgabe macht. Da ich seit nunmehr zwölf Jahren als Rektor der Marienkapelle, die zur Dompfarrei gehört, gewissermaßen Dein Kaplan bin, und schon vorher als Regens Dein Nachbar in der Seminarpfarrei St. Michael war, hatte ich immer wieder Gelegenheit, Dich auf diesen unterschiedlichen Ebenen zu erleben, und dies umso mehr, als uns seit langem eine persönliche Freundschaft verbindet, für die ich sehr dankbar bin. Aber gerade deshalb soll diese Predigt kein verklärender Rückblick sein, sondern von dieser dreifachen Bedeutung der Domkirche her verdeutlichen, welche Botschaft von diesem Bauwerk ausgeht und wie Du diese Botschaft durch Deinen Dienst umgesetzt und geprägt hast. Ich hoffe, so wird dieser Einblick in Dein Wirken auch ein Ausblick für die Zukunft sein.

1. Der Dom als Pfarrkirche: Das klingt nur scheinbar selbstverständlich. Denn wenn eine Domkirche zugleich Pfarrkirche ist, dann stellt das nicht einfach ein Überbleibsel aus der Vergangenheit dar, als die Innenstädte deckungsgleich mit dem weltlichen und kirchlichen Lebensraum der Menschen waren. Vielleicht werden sie es durch eine konzentrierte Citypastoral in Zukunft auf neue Weise sein – die Anfänge sind in Würzburg zumindest gemacht. Wenn sich die Dompfarrei zahlenmäßig auch ständig verkleinert hat, so ist doch ihre Bedeutung als pastorale Basis geblieben: Sie erinnert uns nämlich daran, dass unsere Kathedralkirchen nicht in erster Linie steingewordene Erinnerungen an die Geschichte unseres Glaubens oder Räume für religiöse Großveranstaltungen sind. Vielmehr soll deutlich werden, dass gerade ein kirchliches Gebäude, in dem so viel an Zeugnissen der Vergangenheit bewahrt wird, sich immer wieder neu bewähren muss als Ort der Glaubensbeheimatung einer konkreten Gemeinde, die sich hier in Treue versammelt, um sich von Jesus Christus jeweils neu senden zu lassen. Darin liegt nicht nur die Daseinsberechtigung, sondern geradezu die Notwendigkeit der Dompfarrei. Denn ohne diese Basis stünde jeder noch so auffällige Überbau auf schwachen Fundamenten. Du hast dies erkannt und deshalb als Dompfarrer Dich vorbehaltlos dieser kirchlichen Basisarbeit verschrieben; Du hast Dir nicht Aufgaben ausgesucht, sondern Menschen aufgesucht: In der Stärkung von Familienkreisen, im Besuch von Kranken, im Ernstnehmen des schulischen Religionsunterrichts, im stillen Dienst am Sakrament der Versöhnung. Mich hat immer beeindruckt - und da habe ich von Dir viel gelernt - wie Du den Menschen auf Augenhöhe begegnet bist. Ich denke, dafür darf ich Dir im Namen der ganzen Dompfarrei ganz herzlich danken. „Domerer sind Stromerer“ - so hieß es früher manchmal etwas mehrdeutig. Ich interpretiere es eindeutig: die Dompfarrei ist der Stromkreis, ohne den das Leben in und um diese Kirche auch in Zukunft nicht bestehen kann.

2. Der Dom als Stadtkirche: In diesem Bauwerk verdichtet sich auch die ganze Ge­schichte Würzburgs. Dies zeigt sich bis in die Gegenwart darin, dass bedeutende Ereig­nisse der Stadtgeschichte wie selbstverständlich in Verbindung mit dem Kiliansdom be­gangen werden, wie es erst kürzlich beim 1300-jährigen Stadtjubiläum der Fall war oder wie es immer wieder deutlich wird, wenn sich am 16. März, dem Jahrestag der Zerstö­rung, ganz spontan Menschen jeden Alters zum Gedenken und Gebet hier einfinden. Du hast nicht zuletzt in Deiner langjährigen Aufgabe als Stadtdekan dabei mitgeholfen, dass unser Dom nicht nur die Erinnerung an wechselvolle Historie der Stadt wach hält, son­dern dass Menschen beim Besuch dieses Bauwerks befähigt werden, wachsam zu sein und Geschichtslasten aus dem Glauben heraus auf Zukunftsperspektiven zu öffnen: Etwa in der ökumenischen Begegnung, in der es galt, aus dem Gegeneinander der Konfessionen ein Miteinander von Kirchen zu machen, die sich gerade hier im Dom auf dem Weg zur Weitervereinigung begegnen konnten, oder im Zugehen auf distanzierte Menschen, die nach ihrer Dombesichtigung zumindest mit der Ahnung davon weggingen, dass es hinter dem Auf und Ab der Stadthistorie, die hier greifbar wird, eine Kontaktgeschichte zwischen Gott und den Menschen gibt, in die jeder einbezogen ist, der sich dieser Erfahrung öffnet. Deshalb hast Du gegen anfängliche Bedenken die ökumenischen Mittagsmeditationen eingerichtet, hast zusammen mit vielen Helferinnen und Helfern die Dombesucherpastoral zu einem Brennpunkt der Cityseelsorge gemacht und hast auch in Deiner Aufgabe als Domdekan die klare Linie verfolgt, dass die Bedeutung dieses Bauwerkes nicht durch die bloße Bewahrung seiner Geschichte, sondern durch die mutige Öffnung der Türen gesichert wird. Symbol dafür kann das neue Behindertenportal sein, das nicht zuletzt auf Deine Anregung hin eingerichtet wurde. Es ist nicht nur ein Zeichen dafür, dass der Dom für Menschen mit körperlichen Zugangsproblemen offen steht, sondern auch solchen Zeitgenossen, die im Kontakt zur Kirche seelische Hemmschwellen zu überwinden haben. Auch für diesen Einsatz gebührt Dir der Dank der ganzen Stadt und vieler Menschen darüber hinaus.

3. Der Dom als Bistumskirche: Machen wir uns nichts vor. Ins Rampenlicht der Öffent­lichkeit rückt der Dom gar nicht so sehr als Pfarr- und Stadtkirche, sondern als Kathedra­le der Diözese. Das verlangt vom jeweiligen Dompfarrer stets neu eine Demutsübung: Wenn andere Seelsorger an Hochfesten vor einer vollen Kirche predigen können, über­lässt er seinen Platz dem Bischof. Das wurde von Dir nicht etwa widerwillig hingenom­men, sondern Du hast es immer aus voller Überzeugung getan. Zum einem ist Dir das in Deiner natürlichen Bescheidenheit nie schwer gefallen, aber zum anderen hast Du Dich stets und vor allem als Helfer des jeweiligen Bischofs verstanden. Durch Deine Mitgliedschaft im Allgemeinen Geistlichen Rat als dem Leitungsgremium der Diözese kam das auch strukturell zum Ausdruck. Du hast dabei einerseits Deine reiche seel­sorgliche Erfahrung in den Dienst am Ganzen des Bistums eingebracht und hast dabei genauso manch all zu theoretischen Ansätze und Gedankenspiele mit den Erfordernissen der konkreten Pastoral konfrontiert. Gerade in meiner Aufgabe als Generalvikar habe ich das immer als hilfreich empfunden, weil es Dir dabei nie um Selbstdarstellung oder Rechthaberei ging, sondern die Verbindung Deiner persönlichen Erfahrung mit dem Ein­satz für die gesamte Diözese als Dein Anliegen erkennbar wurde. Mit dieser Haltung aus Bescheidenheit und Beweglichkeit setzt Du ganz gewiss auch bleibende Maßstäbe für künftige Nachfolger, wenn es darum geht, immer wieder neu Domseelsorge und Bistumspastoral in Einklang zu bringen. Nicht zuletzt danke ich Dir für alle Verlässlichkeit und Treue, die ich in unserer Weggemeinschaft erfahren durfte. Bei Dir konnte ich immer sicher sein, dass Du niemals eigene Interessen verfolgst, sondern stets das Wohl des Bistums im Blick hast. Gerade dafür sage ich Dir ein besonderes Vergelt´s Gott. Und ich darf Dir auch heute schon sagen, dass sich Bischof Paul-Werner darauf freut, die aus früheren Zeiten bewährte Zusammenarbeit mit Dir in Deiner neuen Aufgabe als Spiritual der Erlöserschwestern fortsetzen zu können.

„In der Würzburger Dompfarrei macht man Erfahrungen, wie sie anderswo nicht vor­kommen“, so hieß es am Anfang. Lieber Kurt, das trifft sicherlich auch für Dich zu. Ge­wiss hast du in den vergangenen zwanzig Jahren in bunter Mischung ganz spezielle Er­mutigungen und Enttäuschungen, Aufbrüche und Abbrüche, Überraschungen und viel­leicht auch Überforderungen erlebt – aber Du durftest in all dem auf Jesus Christus als Wegbegleiter zählen. Als solcher steht er unübersehbar in der Apsis unseres Domes. Er hält uns und trägt uns, er stellt unser oft begrenztes Wollen und bruchstückhaftes Tun in das Ganze von Gottes Heilsplan mit der Welt und den Menschen. Seine Verheißung soll Dich und uns auch auf allen weiteren Wegen begleiten: „Ich bin bei Euch alle Tage bis ans Ende der Welt“.

Amen.