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Weder Generalabsolution noch Generalverdacht

Generalvikar Hillenbrand ruft in Beitrag für Osterausgabe des Würzburger katholischen Sonntagsblatts auf, sich den dunklen Seiten der Kirche zu stellen

Würzburg (POW) Vor einer Übernahme von Priesteramtskandidaten, die in anderen Bistümern nicht zuletzt wegen mangelnder affektiver Reife abgelehnt worden sind, warnt Generalvikar Dr. Karl Hillenbrand die Diözesen in einem vorab veröffentlichten Artikel für die Ausgabe des „Würzburger katholischen Sonntagsblatts“ vom Ostersonntag, 4. April. „Es muss mit allen Mitteln verhindert werden, dass die zölibatäre Lebensform von Menschen, die diesbezüglich in ihrer Entwicklung gestört sind, als Schutzraum für krankhafte Neigungen genutzt wird.“

Der Generalvikar der Diözese Würzburg warnt ebenso vor einer Generalabsolution wie vor einem Generalverdacht gegenüber der Kirche und ihren Priestern. Er selbst habe im Gespräch mit Opfern und deren Familien in erschütternder Weise erlebt, wie bei den Opfern Missbrauch mit Angst verbunden war, die in eine regelrechte Schweigespirale gemündet sei – im familiären Umfeld wie im kirchlichen Bereich. Wenn die Betroffenen ihre Hemmschwellen überwänden und sich bei den jeweiligen diözesanen Ansprechpartnern meldeten, sei das noch keine Wiedergutmachung, aber ein erster Schritt auf dem Weg zur Gerechtigkeit.

Vom Anspruch der Glaubensethik her dürften Straftaten, durch die die seelische und die körperliche Entwicklung eines Menschen oft lebenslang gestört werde, niemals ohne Reaktion bleiben, betont Generalvikar Hillenbrand. „Ebenso war und ist es für mich unerträglich, wenn ein rechtskräftig vorbestrafter Priester ständig seiner Umgebung erzählt, er sei ja nur wegen ‚minderschwerer Missbrauchshandlungen‘ verurteilt worden.“ An solchen Verhaltensweisen zeige sich, wie gefährlich es sei, rechtliche und sittliche Würdigung gleichzusetzen.

Im Umgang mit dem Thema Missbrauch habe es in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten einen nicht immer einfachen Lernprozess gegeben. Nur wo mangelnder Aufklärungswille wider besseres Wissen vorliege, sei der Vorwurf der Vertuschung zutreffend. „Diese Haltung ist nicht zu entschuldigen“, schreibt Hillenbrand. Insgesamt sei festzustellen, dass angesichts des Missbrauchsphänomens eine Sprach- und Hilfslosigkeit bestanden habe, zum Teil auch begünstigt durch die Tabuisierung des Themas. Wenn der Papst in seinem Brief an die irischen Katholiken von der wohlmeinenden, aber fehlgeleiteten Sorge um den Ruf der Kirche und die Vermeidung von Skandalen spreche, so sei diese Einsicht schmerzhaft, aber wichtig.

Ausdrücklich wehrt sich Hillenbrand, der von 1983 bis 1996 als Regens in der Priesterausbildung des Bistums Würzburg tätig war, gegen die Behauptung, der sexuelle Missbrauch stehe in einem Zusammenhang mit dem Zölibat. Die Alternative zum Zölibat sei nicht, wie oft suggeriert, das freie Ausleben der Sexualität, sondern die christliche Ehe. Die Fähigkeit zum Verzicht, die Kommunikations- und Konfliktfähigkeit, Einfühlungsvermögen und vieles mehr seien Voraussetzungen für beide Lebensformen. „Priesterliche Ehelosigkeit hat darum auch nichts mit Beziehungslosigkeit und schon gar nichts mit Lieblosigkeit zu tun.“

Den pauschalen Vorwurf, die kirchliche Sexualmoral erzeuge ein Klima der Triebunterdrückung, weist der Generalvikar zurück. „Die christliche Morallehre ist von ihrem Ansatz her geradezu ein Alternativentwurf gegen Tendenzen, den Menschen auf seine so genannte ‚Natur‘ zu reduzieren und darunter die Summe von angeborenen Anlagen zu verstehen, die möglichst in freier Selbstverwirklichung auszuleben sind.“ Bei allen berechtigten Anfragen an zeitbedingte Begründungen kirchlicher Sexualmoral dürfe nicht vergessen werden, dass der Mensch Geschöpf Gottes sei. „Aus dieser Erkenntnis kommt letztlich der Einsatz der Kirche gegen alle Verletzungen der Menschenwürde und speziell gegen sexuellen Missbrauch und Gewalt.“

Weiter schreibt Hillenbrand im Sonntagsblatt darüber, dass er in den vergangenen Wochen in zahlreichen Begegnungen und Gesprächen mit Priestern eine tief sitzende Unsicherheit festgestellt habe. Mancher traue sich nicht mehr, Kindern bei der Beichte zum Zeichen der Versöhnung die Hand aufzulegen, ein anderer frage sich. ob es noch sinnvoll sei, Ministrantenzeltlager zu organisieren. „Beim Wahrnehmen dieser Verantwortung ist Überängstlichkeit genauso hinderlich wie falsche Selbstsicherheit“, betont Generalvikar Hillenbrand. Er sei zutiefst überzeugt, dass der priesterliche Dienst nur an Ausstrahlung gewinne, wenn immer wieder eine ehrliche Auseinandersetzung mit seiner Größe wie mit seiner Gefährdung stattfinde.

Er regt dazu an, neben den sicher notwendigen Strukturentwicklungen in der Kirche wieder die konkreten Personen mit ihren Verletzungen und Nöten in den Blick zu nehmen. Gott werde bei ehrlicher Bereitschaft zu Einsicht und Umkehr Wege zeigen, die weiterführten.

(1310/0460; E-Mail voraus)

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