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Krisenzeit - Gründerzeit

Wort von Bischof Dr. Friedhelm Hofmann bei der Herbstvollversammlung des Diözesanrats der Katholiken im Bistum Würzburg am Freitag, 21. Oktober 2010

Liebe Schwestern und Brüder,

herzlich begrüße ich Sie zur konstituierenden Sitzung des Diözesanrates.

War die vergangene Periode dieses Gremiums vor allem durch den Prozess der Errichtung der Pfarreiengemeinschaften im Bistum Würzburg bestimmt, so warten in dieser Periode gewissermaßen die Folgearbeiten auf uns: die errichteten Pfarreiengemeinschaften in unserer Zeit und aktuellen Situation mit Leben aus dem Glauben zu füllen. Lassen Sie mich dazu etwas weiter ausholen.

Krisenzeit

Unsere jetzige Zeit und Situation in der Kirche empfinden wir als eine schmerzhafte Krisenzeit - dazu brauche ich nicht mehr viel zu sagen. Auf der Herbstvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz vom 20. bis 23. September in Fulda haben wir Bischöfe die Situation analysiert und Perspektiven für die Zukunft angerissen. Mit dem Impulsreferat des Vorsitzenden, Erzbischof Dr. Robert Zollitsch, wurde schon dieser Grundduktus der diesjährigen Herbstvollversammlung sichtbar. Sein Thema lautete: Zukunft der Kirche – Kirche für die Zukunft. Plädoyer für eine pilgernde, hörende und dienende Kirche. Er stellte dabei heraus, dass Kirche als Pilgerin unterwegs ist durch die Zeit und benannte die Herausforderung in der jetzigen Krise. Dabei wurden als Ursache der Glaubwürdigkeitskrise genannt: die Überschätzung des Menschen und Überforderung des Priesters, eine mangelnde Lernbereitschaft in der Kirche und mangelnde Transparenz auf Gott hin. Weiterhin stellte Erzbischof Zollitsch heraus, dass die Kirche einen neuen Aufbruch brauche und das Wagnis weiterer Schritte in einem Gesprächsprozess gegangen werden soll. Der Erzbischof sagte wörtlich: „Der Weg der Kirche in Deutschland muss heute, liebe Mitbrüder, die Mitte finden zwischen einer ängstlichen Absonderung von der Welt und einer sendungsvergessenen Anpassung an die Welt.“

Diesem Grundthema diente auch ein Gespräch mit dem Intendanten des ZDF, Professor Markus Schächter, und ein Reflexionstag im Rahmen der Konferenz. Professor Schächter hat zum Glaubwürdigkeitsverlust der Kirche 20 Thesen aufgestellt, 10 analytisch und 10 mit dem Blick nach vorn. Man kann die Essenz seiner Ausführungen zusammenfassen in seinem Ausspruch: Spuren statt Staub! Die Kirche müsse Spuren hinterlassen, Eindrücke, die bleiben, und nicht Staub aufwirbeln, der die Sicht auf das Wesentliche vernebelt und dann verfliegt. Dabei müsse sie offensiv, schnell und transparent sein. Wir müssen konkrete Zeichen setzen. Die lawinenartigen Reaktionen der Medien haben die Kirche überrollt. Mit den vorhandenen Mechanismen einer medienorientierten Welt muss die Kirche lernen, professionell umzugehen. Bei dem Reflexionstag ging es um die Darstellung der Situation und eine Analyse des gegenwärtigen Vertrauensverlustes in der Kirche, die eine massive Anfrage an uns darstellt, und - damit verbunden - um die Glaubwürdigkeit der Kirche in Wort und Tat. Weiterhin ging es um die Frage nach der Kirche in der Welt von heute. Erzbischof Marx gab dazu Bericht und stellte fest, dass es in der aktuellen Situation nicht möglich sei, einfach zu Tagesthemen überzugehen. Eine klärende Dialoginitiative ist nötig. Diese wurde auf der Herbstvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz beschlossen. Es gilt für die Kirche, in diesem Zusammenhang auf drei Ebenen zu arbeiten: 1. Es wird um eine interne Klärung gehen, also bei uns Bischöfen selbst beginnen, im Sinne einer vermehrten Pflege des selbstkritischen Gesprächs untereinander. 2. Ein strukturierter Dialog ist in den Bistümern nötig über das Bezeugen, Weitergeben und praktische Bekräftigen unseres Glaubens. 3. Muss es zu exemplarischen Begegnungen mit ausgewählten Gruppen der Öffentlichkeit kommen, um unseren Glauben an den Brennpunkten der gegenwärtigen Gesellschaft zu erschließen.

Sicher wird der Diözesanrat in unserem Bistum ein besonderer und wichtiger Partner sein in dieser Dialoginitiative, denn Sie sind für mich ein geschätzter Dialogpartner. Noch in diesem Jahr ist von Seiten der Deutschen Bischofskonferenz ein Brief an die Gemeinden geplant, der den Beginn dieser Dialoginitiative bedeuten wird.

Gründerzeit

Insgesamt heißt das aber: Es gilt, diese Krisenzeit auch bei uns als Gründerzeit zu verstehen! Es gilt, das Vertrauen wieder neu in dieser Zeit zu begründen und so den Glauben wieder und weiter zu begründen. Glauben bedeutet und erfordert ein Vertraut-machen, stellte Bischof Tebartz-van Elst in diesem Zusammenhang heraus. Das müssen auch wir in unserem Bistum auf allen Ebenen leisten, besonders auch in den Gemeinden und Pfarreiengemeinschaften vor Ort. Die vier Regionaltage in diesem Herbst sollen auch diesem Ziel dienen, das Bewusstsein für die aktuelle Gründerzeit zu heben und helfen, neue Wege auf die Menschen zu und neue Wege mit den Menschen zu gehen.

Denn die aktuelle Situation der Kirche nur als Krisenzeit zu verstehen, würde zu kurz greifen. Es würde zu Resignation führen; Engagement würde erlahmen; Selbstmitleid würde umsichgreifen. Wir müssen und sollen diese krisenhafte Zeit viel mehr als eine Gründerzeit verstehen, gewissermaßen als eine Neu-Gründerzeit und Wieder-Gründerzeit. Ja: Wir leben in einer solchen Gründerzeit!

In unserem Bistum sind in den vergangenen Jahren die Pfarreiengemeinschaften gegründet worden, um Seelsorge und kirchliches Leben unter veränderten gesellschaftlichen, finanziellen und personellen Bedingungen aufrecht zu erhalten und neu zu gestalten. Dies ist auf der einen Seite eine organisatorische Leistung, die das strukturelle Gesicht unserer Diözese massiv verändert hat. Dieser Prozess verlief auf der Grundlage der vorhandenen und über die Jahrhunderte gewachsenen Pfarreistruktur – gerade das hat sich in diesem Prozess vielfach als große Herausforderung erwiesen.

Diese neue Organisationsstruktur ist kein Selbstzweck und darf auch kein Selbstzweck sein. Sie hat dienenden Charakter. Sie sollte dem Glauben und dem Leben aus dem Glauben, der Verkündigung und der Neuevangelisierung dienen. So ist auch der Prozess der Errichtung der Pfarreiengemeinschaften heute kein Selbstzweck einer strafferen und effektiveren Organisation. So hat dieser Prozess und die Pfarreiengemeinschaften selbst dienenden Charakter. Sie sollen dem Glauben und seiner Verkündigung, der Seelsorge und dem Leben aus dem Glauben vor Ort und in der Welt von heute dienen. Sie orientieren sich deshalb am Menschen und an seinen Lebensräumen und bringen diese mit der Frohen Botschaft und dem großen Heilsangebot Gottes zusammen. Deshalb dürfen unsere Pfarreiengemeinschaften kein strukturelles Skelett bleiben, sie müssen Fleisch und Blut erhalten im Glauben, der hier gelebt, verkündet, gefeiert wird. Deshalb ist dieser Prozess, diese Gründerzeit auch nicht mit dem Abschluss des Prozesses der Errichtung der Pfarreiengemeinschaften in unserem Bistum zu Ende. Es gilt sie nun mit Leben zu füllen, ihnen Ausstrahlung aus dem Glauben zu geben. Denn nur so und nur dann werden die Pfarreiengemeinschaften lebensfähig sein.

Das Papier des Diözesanpastoralrates „Schritte Missionarischer Pastoral“, das in dieser Vollversammlung noch Thema sein wird, will dazu helfen.

Gründungsauftrag

Eine Gründerzeit ist also nicht nur geprägt durch Organisationsarbeit sondern vor allem auch durch Glaubensarbeit. Es gilt sich deshalb immer wieder und immer neu des eigentlichen Gründungsauftrags zu vergewissern. Dieser Gründungsauftrag ist eigentlich nichts anderes als der Auftrag des auferstandenen Herrn an seine Jünger am Ende des Matthäusevangeliums: „Geht zu allen Völkern und macht alle Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, und lehrt sie alles zu befolgen, was ich euch geboten habe“ (Mt 28,19-20). Der Gründungsauftrag ist heute derselbe, wie zu allen Zeiten: Jesus Christus zu verkünden, der das Heil, Leben in Fülle für die Menschen erworben hat, dessen Reich wachsen und sich ausbreiten soll. Wie sich dieser Gründungsauftrag, der bis heute gilt, konkretisieren lässt, dazu helfen die Schrifttexte, die uns die Liturgie am Fest des heiligen Burkard, des ersten Würzburger Bischofs, gewissermaßen des Gründerbischofs, vorlegt. Mit dem Propheten Jesaja verstand sich Burkard als Gesandter Gottes. Zum Gründungsauftrag gehört also ein Sendungsauftrag – bis heute und auch für uns. Jesaja umreißt ihn. Wir sind von Gott gesandt, die frohe Botschaft zu verkünden, zu heilen, zu befreien, Freude zu schenken (vgl. Jes 61,1-3). Dazu hat uns Gott seinen Geist geschenkt. Wie bei Paulus in Thessaloniki gehört auch für uns dazu der Verkündigungsauftrag. Um des Herrn und der Menschen und nicht um unserer selbst willen, sind wir berufen, das Evangelium Gottes im Vertrauen auf seinen Beistand freimütig und furchtlos zu verkünden (vgl. 1 Thess 2,2b) – auch heute. Und im Evangelium, das selbst durch das Beispiel Jesu den Sendungs- und Verkündigungsauftrag stützt, kommt noch der Gebetsauftrag hinzu: „Bittet den Herrn der Ernte, Arbeiter in seine Ernte auszusenden“ (Mt 9,38). Eine Bitte die immer drängender wird; ein Auftrag Jesu, dem wir uns nicht entziehen können und dürfen.

Unsere Gemeinden und die Kirche werden leben und Zukunft haben, wenn sie den Gründungsauftrag ernst nehmen und den damit verbundenen Sendungsauftrag, den Verkündigungsauftrag und den Gebetsauftrag erfüllen. Unsere Aufgabe wird es dabei sein, sie darin zu unterstützen, anzuleiten und zu begleiten, als Vorbilder vorzuleben, was es heißt, zu glauben und den Glauben zu leben.

Gründergestalten

Lassen Sie mich zum Schluss den Blick auf ein paar Gründergestalten richten, denn Gründerzeiten brauchen Gründergestalten, also Menschen, die aus Überzeugung ihren Glauben leben, ganz konkret und vor Ort. Die ihren Glauben so leben, dass sie nicht nur Staub aufwirbeln und die Sicht verstellen, sondern die ihren Glauben so leben, dass sie Spuren und Eindrücke hinterlassen. Spuren, denen nachzugehen es sich lohnt, weil sie eine Richtung vorgeben und ein Ziel vor Augen haben.

Im wahrsten Sinn des Wortes ist der heilige Burkard eine solche Gründergestalt.

Als erster Bischof von Würzburg ist er gewissermaßen die Gründergestalt unseres Bistums. Im Südwesten Englands um 700 geboren, war er als Benediktiner ein Begleiter und enger Mitarbeiter des heiligen Bonifatius, der im Auftrag des Papstes die Gebiete Hessens, Thüringens und Ostfrankens missionierte und die Kirche dort neu organisierte. Im Zuge dieser Neuorganisation errichtete Bonifatius die Bistümer Büraburg in Hessen, Erfurt in Thüringen und in Franken Würzburg, das er 742 Burkard als Bischof anvertraute und von Papst Zacharias III. 743 bestätigen ließ. So ist Burkard als erster Bischof Würzburgs zur prägenden Gründergestalt dieses Bistums geworden und als solche verehren wir ihn bis heute. Mit 25 Kirchen und einem Kloster ging es damals los. Wenn wir so den heiligen Burkard betrachten, führt er uns in die Gründerzeit unseres Bistums Würzburg. Mit der Missionsarbeit des heiligen Kilian und seiner Gefährten zwischen 686 und 689 wurde unsere fränkische Heimat erstmals ernsthaft und nachhaltig mit der christlichen Botschaft konfrontiert. Aber erst unter Bonifatius und Burkard in 40er Jahren des achten Jahrhunderts mit der Bistumsgründung 742 und der nun folgenden Arbeit des Gründerbischofs Burkard erhielt dieser Glaube eine tragfähige kirchliche Struktur. Eine Struktur, die ihn am Leben hielt und mit durch die Zeiten trug. Zur Arbeit des heiligen Burkard in dieser Gründerzeit gehören wesentlich zwei Aspekte: einmal die Errichtung und der Ausbau einer kirchlichen Struktur, also Organisationsarbeit und gleichzeitig die Vertiefung des christlichen Lebens. Dazu gehörte neben der Gründung von Kirchen und Klöstern, neben der Verkündigungs- und Missionsarbeit auch die Erhebung der Gebeine des heiligen Kilian und seiner Gefährten, also Glaubensarbeit. Nur beides zusammen – Organisationsarbeit und Glaubensarbeit – in dieser Gründerzeit konnten den nachhaltigen Erfolg bis heute gewähren. Dies hat Burkard als Gründergestalt unseres Bistums geschafft. Gerade so erwies sich dieses Bistum – im Gegensatz zu den beiden anderen von Bonifatius gegründeten Bistümern Büraburg in Hessen und Erfurt in Thüringen – als lebensfähig; durch die Jahrhunderte hindurch bis heute.

Eine andere Gründergestalt in schwieriger Zeit möchte ich nennen: Pfarrer Georg Häfner. In gewisser Weise ist er - gerade in seinem Dienst an der Versöhnung in der menschenverachtenden, brutalen und tödlichen Situation des Konzentrationslagers Dachau - eine Gründergestalt für Versöhnung und mutiges Bekenntnis. Wir werden den Märtyrerpriester Pfarrer Georg Häfner am 15. Mai 2011, dem Gute-Hirten-Sonntag und Weltgebetstag um Geistliche Berufe um 14:00 Uhr im Dom zu Würzburg selig sprechen dürfen. Als Abgesandter des Heiligen Vaters wird der Präfekt der Heilig- und Seligsprechungskongregation, der künftige Kardinal Erzbischof Angelo Amato, dafür nach Würzburg kommen. Eine Vorbereitungskommission unter der Leitung von Weihbischof Ulrich Boom hat ihre Arbeit aufgenommen, diese Feier vorzubereiten und die Gestalt und das Leben Georg Häfners zu erschließen und für die Gegenwart fruchtbar zu machen. Beim Priestertag am Montag dieser in Oberschwarzach haben wir die Vorbereitungszeit auf dieses große Fest in der Diözese Würzburg eröffnet. In dieser Vorbereitungszeit soll das geistige Vermächtnis und das Lebenszeugnis Häfners gehoben und breit bekannt gemacht werden, dass dieser uns neu als Gründergestalt vor Augen gestellt werden kann.

Auch heute sind neue große und kleine Gründergestalten nötig und wichtig: Menschen, die den Glauben authentisch und wahrhaftig, damit glaub- und liebenswürdig verkünden und leben. Solche Gründergestalten begründen neu und begründen wieder den Glauben in unseren Gemeinden und bei den Menschen - unsere Berufung und unser Auftrag. Sie sind in meinen Augen ein Stück weit solche Gründergestalten mit ihrem Engagement in den Gemeinden, den Dekanaten, den Verbänden und unserem Bistum. Die jetzt beginnende Periode des Diözesanrates wird davon geprägt sein, die Pfarreiengemeinschaften mit Leben zu erfüllen. Ich traue Ihnen zu, dass Sie dafür wichtige Impulse und Ideen beitragen können und danke Ihnen jetzt schon dafür und für Ihre Bereitschaft, sich hier einzubringen und für die Kirche von Würzburg einzusetzen. Ich freue mich auf eine gute und fruchtbare Zusammenarbeit in den kommenden Jahren und wünsche Ihnen dafür Gottes reichen Segen.