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„Ich kann nicht gut schlafen“

Interview mit Professor Dr. Emmanuel Parves zur Situation in Pakistan – Pfarrer aus Faisalabad will künftig mit Jugendlichen beim Wiederaufbau helfen – „Wir brauchen keine Atombombe, sondern Lebensmittel“

Würzburg/Neustadt am Main/Faisalabad (POW) Seit fast zwei Wochen sind die Menschen in Pakistan von einer Flutkatastrophe ungeheuren Ausmaßes betroffen. Der pakistanische Priester Professor Dr. Emmanuel Parves (60) aus Faisalabad, der drittgrößten Stadt Pakistans, ist derzeit zur Urlaubsvertretung im Bistum Würzburg. Drei Wochen wirkte er in Lohr-Sendelbach, seit 16. August ist er in Neustadt am Main tätig. In der Diözese Würzburg ist der Professor für biblische Theologie und Verfasser zahlreicher exegetischer Werke und von Romanen kein Unbekannter. So verbrachte er die Jahre 2007 bis 2008 im Pfarrhaus Astheim, um wissenschaftliche Werke zu verfassen und an der Mainschleife in der Seelsorge mitzuhelfen. Seit 2009 ist er Pfarrer der neuerrichteten Pfarrei „Sankt Paul der Apostel“ nahe von Faisalabad. Dort betreut er rund 4000 Katholiken in 29 Dörfern. In folgendem POW-Interview spricht er über die Katastrophe in seiner Heimat.

POW: Wie erleben Sie derzeit von Deutschland aus die Katastrophe?

Professor Dr. Emmanuel Parves: In diesen Tagen kann ich nicht gut schlafen und träume schwer. Mein Herz ist in Pakistan. Es tut sehr weh, wenn ich das große Elend der Menschen sehe. Eigentlich wollte ich sofort zurückfliegen, doch ich werde derzeit in Neustadt am Main gebraucht. Wenn ich am 19. September nach Pakistan zurückkehre, will ich dort mit einer großen Gruppe von Jugendlichen helfen. Jeder in Pakistan muss in dieser großen Not anpacken. Wir haben Verwandte, Freunde und Bekannte verloren: Ich will bei den Menschen in Pakistan sein. Wenn ich nur das Schicksal der Kinder sehe: Sie haben Hunger und Durst, sind von Krankheiten gezeichnet, aber sie vermissen auch ihre Eltern. Wir können und müssen den Kindern Trost geben. Ich werde in Pakistan Menschen für Hilfseinsätze vorbereiten und zum gemeinsamen Helfen motivieren.

POW: Haben Sie derzeit Kontakt nach Pakistan? Was wird Ihnen berichtet?

Parves: Ich bin per E-Mail oder Telefon in Kontakt mit Verwandten und Freunden in Pakistan. Es gibt viele schlechte Nachrichten. Die Lage ist dramatisch. Menschen erzählen von Verlust ihrer Verwandten und Freunde und davon, dass sie eine solche Katastrophe noch nie erlebt hätten. Sie haben Angst. Viele haben alles verloren. Krankheiten breiten sich aus. Häuser fallen zusammen. Das große Problem ist der Indus-Fluss. In den Überschwemmungsgebieten kommen vor allem Skorpione an Land und stechen die Menschen. Insekten verbreiten Seuchen. Persönlich werde ich am Telefon gefragt: Wann kommst Du zurück? Mit dem Bischof von Faisalabad, Joseph Coutts, habe ich telefoniert. Er sagte: Wir wissen nicht, was wir tun sollen. Alles ist vernichtet. Wir sind völlig hilflos.

POW: Wo liegen Ihrer Meinung nach die Ursachen für diese dramatische Katastrophe? Hätte man durch Dammbauten und eine bessere Infrastruktur manches Leid verhindern können?

Parves: Ich habe in Pakistan oft gemahnt, das Wasser besser zu nutzen. Hätte das Land rechtzeitig Staudämme gebaut, wäre die Katastrophe vermutlich nicht so verheerend ausgefallen. In aller Deutlichkeit muss ich sagen: Wir brauchen keine Atombombe, sondern Lebensmittel, Entwicklung und Infrastruktur für die Menschen. Es fließt so viel Geld in die Verteidigung. Um dies zu reduzieren, wollen wir Frieden mit Indien.

POW: Wie beurteilen Sie das Verhalten der Politiker, besonders von Staatspräsident Asif Ali Zardari in dieser Katastrophe?

Parves: Wir wollen eine Regierung, die die Menschen ernst nimmt, und keine Korruption. Die Welt hat Angst, dass Gelder für Pakistan nicht bei den Bedürftigen ankommen. Ich setzte ganz darauf, dass die Spenden aus aller Welt an die betroffenen Menschen weitergegeben werden und nicht in falsche Kanäle fließen.

POW: Warum ist man Ihrer Meinung nach im Westen so zögerlich beim Spenden für Pakistan? Hat Pakistan einen zu negativen Ruf im Westen?

Parves: Für mich gibt es drei Ursachen: Die Menschen im Westen sind nicht zufrieden mit Pakistan, weil die Taliban dort zahlreich vertreten sind und vieles zerstören. Außerdem besitzt Pakistan die Atombombe, während es dem Volk schlecht geht. Schließlich funktioniert die Demokratie nicht gut. Die Korruption ist stark verbreitet. In Deutschland beobachte ich derzeit aber, dass die Menschen gerne für das Land spenden, wenn sie genau wissen, wohin ihr Geld fließt.

POW: Pakistan gilt als instabile Atommacht. Ist das Land eine Gefahr für den Westen?

Parves: Mit den derzeitigen Volksparteien nicht. Eine Gefahr bestünde dann, wenn radikale Kräfte das Sagen hätten. Bisher haben aber radikale islamische Parteien keine Mehrheiten erhalten.

POW: Ist ein langfristiger Wiederaufbau des Landes möglich? Was sollte dabei wichtig sein?

Parves: Ich hoffe sehr, dass der Wiederaufbau des Landes gelingt. Die Hilfe der Welt ist nötig, aber das Meiste müssen die Menschen in Pakistan selber schaffen. Es gibt dort in der aktuellen dramatischen Lage auch Plünderer, aber die meisten Menschen wollen gerne helfen. Jetzt ist ein großer Zusammenhalt im Volk gefordert, um das Land wiederaufzubauen. Besonders wichtig ist der Bau von Straßen und Häusern, von Schulen und Krankenhäusern.

POW: Was planen Sie nach Ihrer Rückkehr in Pakistan?

Parves: Mit einer großen Gruppe von freiwilligen Jugendlichen – Christen und Muslime – will ich zu Bedürftigen gehen und ihnen beim Wiederaufbau der Häuser und Einrichtungen helfen. Ich habe bisher schon zahlreiche Jugendveranstaltungen organisiert, die den Dialog und die Toleranz unter Christen und Muslimen förderten. Wenn ich die Jugendlichen rufe, kommen sie und helfen mit. Wir wollen den notleidenden Menschen zur Seite stehen.

(3410/1059; E-Mail voraus)

Hinweis für Redaktionen: Foto abrufbar im Internet

Hinweis: Spenden für Pakistan können direkt an Professor Parves für sein Jugendprojekt überwiesen werden: Stichwort „Häuser für Pakistan“, Ligabank Würzburg, Bankleitzahl 79090300, Kontonummer 3163423. Weitere Spendenadresse: Caritas international Freiburg, Spendenkonto 202, Bank für Sozialwirtschaft Karlsruhe, Bankleitzahl 66020500, Stichwort „Fluthilfe Pakistan“.