Würzburg (POW) „Ich halte das nicht mehr aus! Das muss alles aufhören!“ Sätze, die für Waltraud Stubenhofer, Psychologin und Leiterin des Krisendienstes der Caritas und Diakonie in Unterfranken, Alltag sind. Zusammen mit ihren Mitarbeitern kümmert sie sich um Menschen mit Suizidgefahr, und solche Äußerungen „müssen als ernste Anzeichen von Selbstmordabsichten genommen werden“, sagt Stubenhofer. Am Freitag, 15. Oktober, feierte der Krisendienst sein 20-jähriges Bestehen in Würzburg – und es scheint, als sei er notwendiger denn je.
Denn in den vergangenen Jahren ist die Zahl der betreuten Personen stetig gestiegen. In 2009 erhöhte sich die Menge der Fälle im sogenannten „Tagdienst“ um 32 Prozent, nachts stieg die Zahl der Notfälle um fünf Prozent. Insgesamt wurde der Dienst im vergangenen Jahr rund 2300 Mal in Anspruch genommen. „Die Gründe sind vielseitig, genauso wie das soziale Umfeld der Suizidgefährdeten“, erklärt Stubenhofer im Gespräch am Rande der Feierlichkeiten: Es kann der Hartz IV- Empfänger mit einem Alkoholproblem sein, der in seinem Dasein keinen Sinn mehr sieht; aber auch der erfolgreiche Anwalt, der am Burnout-Syndrom leidet. Ebenso können Jugendliche schon betroffen sein: Mobbing in der Klasse oder der erste Liebeskummer. Oft ist es aber „ein Bündel von Problemen“, sagt Stubenhofer, zu denen auch ein Todesfall oder eine Scheidung gehören können. Schuld am Anstieg der Anrufe ist für Stubenhofer auch der enorme Druck in der Leistungsgesellschaft, der in den vergangenen Jahren zugenommen habe.
Gerlinde Keller, Vorstandsvorsitzende des ökumenischen Trägervereins „Telefonseelsorge und Krisendienst“, lobte zur Feierstunde im Felix-Fechenbach-Haus das „beispielhafte Zusammenarbeiten von kirchlichen und staatlichen Trägerschaften“. Denn finanziert wird der Krisendienst, der bei seiner Gründung der erste dieser Art in Deutschland war, auch vom Bezirk Unterfranken. Inzwischen hat der Krisendienst ein umfangreiches Netzwerk zu Polizei, Kliniken und niedergelassenen Psychologen aufgebaut. Dr. Ludger Heuer, Pressereferent des Diözesan-Caritasverbandes Würzburg, konnte am Festnachmittag auch Gutberg Klug, Mitbegründer des Krisendienstes, begrüßen. Klug berichtete von den anfänglichen Schwierigkeiten, finanzielle Unterstützung und ausreichend Mitarbeiter zu bekommen. In einem Vortrag erklärte Anne Herzog, Pädagogin und Therapeutin, die Notwendigkeit des Krisendienstes.
Benötigt wird der Dienst nicht nur für Suizidgefährdete, sondern auch für deren Angehörige, die etwas Verdächtiges bei einem Bekannten oder Verwandten bemerkt haben. Äußerungen über einen Todeswunsch können dazu gehören, aber auch ein sogenanntes „Aufräumen des eigenen Lebens“, wie es Stubenhofer nennt. Massives Aufräumen der Wohnung, das Verschenken von liebgewordenen Dingen an Angehörige, beides kann ein Zeichen sein. „Oft reicht ein Telefonat mit Betroffenen schon aus“, sagt Stubenhofer und nennt das Beispiel eines Vaters: Er wollte sich das Leben nehmen, weil er dachte, seinen Kindern eine Last zu sein. „Wir eröffnen im Gespräch neue Blickwinkel für die Suizidgefährdeten“, sagt Stubenhofer. „Dem Vater konnte ich klarmachen, wie schlimm es für seine Kinder wäre, wenn sie plötzlich nur noch mit einem Elternteil aufwachsen würden.“
Doch nicht immer ist es mit einem Telefonat getan, im Schnitt kommen die Leute zu rund fünf Gesprächen zum Krisendienst, oft auch zusammen mit ihren Angehörigen.
Inzwischen arbeiten für den Krisendienst 35 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Zu erreichen ist das Nottelefon montags bis freitags von 14 bis 18 Uhr. Außerdem steht täglich von 18.30 bis 0.30 Uhr ein Bereitschaftsdienst zur Verfügung. Telefon 0931/571717.
(4210/1300; E-Mail voraus)
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