Würzburg (POW) Mit einem lauten Hupkonzert und begleitet von vielen Pflegekräften sind Diözesan-Caritasdirektor Martin Pfriem, Kathrin Speck, Geschäftsführerin des Paritätischen Wohlfahrtsverbands, und Bernhard Pammer, Bezirksgeschäftsführer der Arbeiterwohlfahrt, am Montag, 22. September, bei der AOK-Zentrale Würzburg vorgefahren. Dort übergaben sie einen offenen Brief, in dem die bayerischen Wohlfahrtsverbände gegen die bayerischen Krankenkassen protestieren, da diese eine Gebührenanpassung im Bereich der ambulanten Pflege ablehnen. Ähnliche Protestaktionen finden derzeit bayernweit statt. Der Brief wurde auch Ministerpräsident Günther Beckstein, Sozialministerin Christa Stewens und vielen Politikern zugestellt.
Die finanzielle Situation der ambulanten Pflege habe sich in den vergangenen Jahren dramatisch zugespitzt, sagte der Würzburger Caritasdirektor. „Auch wenn die Politik keinen direkten Einfluss auf die Verhandlungspolitik der Kassen hat, muss sie doch ihre Verantwortung für die Pflegebedürftigen in Bayern wahrnehmen. Wir betreuen mit unseren Diensten etwa 40.000 Menschen im Freistaat. Die Politik darf sie nicht allein lassen.“
Während der hupende Autokorso sich zu anderen Kassenverwaltungen weiter bewegte, erklärten Vertreter von Caritas, Diakonie, Rotem Kreuz und Paritätischem Wohlfahrtsverband die Situation vor Ort. Steigende Personal- und Energiekosten – ein Pflegedienstauto legt zwischen 10.000 und 15.000 Kilometer pro Jahr zurück –, die Erhöhung der Mehrwertsteuer und eine Preissteigerung von 5,5 Prozent seit 2004 setzten die ambulante Pflege massiv unter Druck. Trotzdem verweigerten die Kranken- und Pflegekassen seit 2004 eine Anpassung der Vergütungen. Ein erneuter Verhandlungsversuch auf Landesebene sei im Juli gescheitert. Als Kompromiss hätten die Wohlfahrtsverbände eine Gebührenerhöhung um 2,5 Prozent für ein Jahr angeboten; in diesem Jahr sollten 80 Pflegedienste Daten zu einer neuen Kostenermittlung erheben. Die Kassen hatten mit einem Gegenvorschlag von nur 1,1 Prozent geantwortet. „Dieses Angebot ist auf keinen Fall akzeptabel“, unterstrich Hendrik Lütke, Leiter des Fachbereichs Altenhilfe beim Diakonischen Werk. „Die Kassen wollen uns ausbluten lassen.“ Notwendig wäre eine Erhöhung um 8,5 Prozent, rechnete Matthias Fenger, Geschäftsführer des Würzburger Orts- und Kreis-Caritasverbands vor.
Seit mit Einführung der Fallpauschalen immer mehr Patienten immer früher aus den Krankenhäusern entlassen würden, kämen auf die Pflegedienste deutlich mehr Wundversorgungen und medizinische Nachbehandlungen zu. „Für viele solcher Behandlungen gibt es aber gar keine Abrechnungsmöglichkeiten“, sagte Sabine Liczewski, Pflegedienstleitung der Sozialstation des Bayerischen Roten Kreuzes in Ochsenfurt. Dazu gehören zum Beispiel unter der Haut angesetzte Infusionen oder auch viele Wundbehandlungen. Hinzu kommen andere Kasseneinsparungen: „Für einen Kompressionsverband erhalten wir pro Bein vier Euro, für einen Wundverband auch. Machen wir jedoch beides zusammen, zahlen uns die Kassen dafür nur 5,70 Euro.“ Bekämen die Sozialstationen weniger vergütet, müssten sie immer mehr billige ungelernte Pflegekräfte einstellen. Die schweren Pflegefälle landeten dann nur noch bei gelernten Kräften, die laut Lütke oft im Akkord arbeiten müssen. Dass darunter die Qualität leide, sei wohl klar. Diese Art von Gesundheitspolitik lasse daher die Belastung für betroffene Angehörige und auch die Zahl von ungelernten oder gering qualifizierten Hilfskräften steigen. „So funktioniert die Forderung ambulant vor stationär nicht“, warnte Katrin Speck. Die Wohlfahrtsverbände forderten die Kassen daher auf, an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Unterstützung gibt es für ihr Anliegen inzwischen von Seiten der bayerischen Staatsregierung. „Das Anliegen der Pflegekräfte kann ich voll und ganz nachvollziehen“, teilte Sozialministerin Stewens mit. Die Forderung nach einer angemessenen Erhöhung der Vergütungen „ist in jeder Beziehung berechtigt“.
(4008/1147; E-Mail voraus)
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